Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Startbild Jahresprogramm 2018
Weihbischof Ulrich Boom zu Besuch in seinem Titularbistum in Tunesien

Begegnungen an der Wiege des lateinischen Christentums

Die Titularbistümer verweisen auf die blühenden christlichen Gemeinden im frühen Christentum.

Sie haben das Bild und die Theologie der frühen Kirche geprägt. Diesen Spuren möchte ich nachgehen“, so hatte es Weihbischof Boom, dessen Titularbistum in Tunesien liegt, im Vorfeld einer Reise des Bayerischen Pilgerbüros dorthin formuliert, die kürzlich in Zusammenarbeit der beiden Pilgerstellen Würzburg und Bamberg stattgefunden hat. Eine Spurensuche, die auf hervorragende Weise gelang, nicht nur weil Reiseleiter Mouldi Hammami sprachlich und fachlich nichts zu wünschen übrig ließ, sondern auch, weil der Bamberger Professor für Kirchengeschichte, Peter Bruns, durch spontane Vorträge während der Fahrt den Teilnehmern Zugänge zu einer Welt erschloss, die zwar seit dem Auftreten des Islam weitgehend untergegangen ist, aber die Wurzeln der katholischen Kirche stärker geprägt hat, als es den meisten Christen heute noch bewusst ist. Ergänzt wurde dieses „Eintauchen“ ins frühe Christentum durch die geistlichen Impulse, die der Bamberger Domkapitular Norbert Jung ins Programm einstreute und die der Auslegung des Vaterunsers durch Bischof Cyprian von Karthago (✞ 258) entnommen waren.

Gottesdienst am Strand

Der Brauch, Weihbischöfen ein untergegangenes Bistum in ehemals katholischen Gebieten zuzuweisen, führt dazu, dass einige deutsche Bischöfe nominell ihren Sitz in Tunesien haben – ein bei den Touristen, die heute dorthin zum Baden fahren, weitgehend unbekannter Hinweis auf die Bedeutung der Region in der Kirchengeschichte des dritten und vierten Jahrhunderts. Einen ersten Höhepunkt bildete deshalb der Besuch in Thugga, einer römischen Ruinenstadt mit Welterbestatus, ehemals Titularsitz des verstorbenen Bamberger Weihbischofs Werner Radspieler. In Kairouan, einer der vier heiligen Stätten des Islam und ebenfalls Weltkulturerbe, konnte die Gruppe in die islamische Kultur eintauchen: Von der Besichtigung der eindrucksvollen Moscheen über den Bummel durch den Souk (Basar) bis zum Besuch beim Teppichhändler war alles dabei.

Vor allem für Weihbischof Ulrich war der Besuch im reizvoll am Meer gelegenen Salakta sehr bewegend, handelt es sich dabei doch um sein Titularbistum Sullectum. Dort wurden nicht nur die Katakomben aus der Römerzeit besucht, sondern auch spontan ein Gottesdienst auf der Terrasse des Cafés „Sullecthum“ direkt am Strand gefeiert. Dass dies möglich war, zeigt auch die Toleranz, die Tunesien im Vergleich zu anderen islamischen Ländern auszeichnet: Man stelle sich vor, irgendwo am Mainufer hielte ein Bus mit Muslimen, die im Biergarten des örtlichen Wirtshauses ihre Gebetsteppiche ausbreiteten...! Kein Problem in Tunesien, wo die orientalische Gastfreundschaft mit einer eher weltoffenen Spielart des Islam verbunden ist, so dass auch alle Spielarten weiblicher Verschleierung eher die Ausnahme als die Regel sind. Nicht von ungefähr nahm der „arabische Frühling“ dort seinen Ausgang; der entsprechende Friedensnobelpreis ist in einer Vitrine im Eingangsbereich des Nationalmuseums ausgestellt.

Kunst und Kultur

Während zu Hause schon die Wintersachen bereitgelegt wurden, konnte die Gruppe die Annehmlichkeiten eines Strandhotels genießen: Einige nutzten die Möglichkeit zum Schwimmen, andere genossen den Ausblick auf die Wellen. Allen gefiel jedenfalls der Ausflug zum Cap Bon, wo nicht nur in den Ausgrabungen von Kerkouane die punische Kultur erkundet wurde, sondern auch in einem Restaurant am Strand regionale Fischspezialitäten probiert werden konnten. Immer wieder beeindruckten die Überbleibsel aus der Zeit der Römerherrschaft – zum Beispiel in der Veteranensiedlung Uthina, wo die Gruppe sogar Zugang zur normalerweise gesperrten „Unterwelt“ des Amphitheaters erhielt. Von der Hauptstadt Tunis blieben wohl die vielen Mosaike des Bardo-Museums am meisten in Erinnerung, die von der einstigen Pracht des Lebensstils der römischen Oberschicht zeugen. Durch die fachkundigen Erklärungen des Reiseleiters, ergänzt durch ikonografische Erläuterungen von Prof. Bruns vor allem in der frühchristlichen Abteilung wurde der Aufenthalt zu einem Schlüsselerlebnis der Reise.

In Karthago, der ehemaligen Hauptstadt des punischen Reiches, wurden die Ruinen zwar in islamischer Zeit weitgehend abgetragen, um das nahe gelegene Tunis zu errichten, trotzdem konnten dort der Ort des Martyriums der Heiligen Perpetua und Felizitas sowie die Reste einer beeindruckenden frühchristlichen Basilika besichtigt werden. Die das Stadtbild beherrschende ehemalige katholische Kathedrale St. Louis wurde wie die meisten anderen kirchlichen Immobilien nach der Unabhängigkeit des Landes verstaatlicht und dient heute als Veranstaltungshalle beziehungsweise Museum. Nach dem Ende der Kolonialzeit verblieben der katholischen Kirche des Landes nur noch sieben Kirchen, so dass sich den Besuchern eine „arme Kirche für Menschen am Rand“ präsentierte – vielleicht nicht unbedingt ein Vorbild für die Zukunft der deutschen Kirche, aber in jedem Fall ein glaubwürdiges Modell der Nachfolge Christi.

Lebendige Kirche

Sowohl in der Kathedrale von Tunis als auch beim Besuch in der deutschsprachigen Gemeinde, wo Weihbischof Ulrich die Sonntagsmesse hielt und die Gelegenheit zum Gespräch mit den Verantwortlichen bestand, konnten sich die Besucher von der Lebendigkeit einer jungen Kirche überzeugen. Sie wird überwiegend von Studenten und Flüchtlingen aus Schwarzafrika gebildet, die ihre Lebensfreude, aber auch die mit ihrer Situation zusammenhängenden wirtschaftlichen Probleme mit in die Gemeinden einbringen. Zum Abschluss bummelte die Gruppe durch das reizvoll am Meer gelegene Künstlerdorf Sidi Bou Said, das vor allem durch den Aufenthalt von Paul Klee und August Macke Bekanntheit erlangte, sei dadurch doch eine neue Entwick-lungsstufe der europäischen Kunstgeschichte eingeläutet worden, wie Weihbischof Ulrich Boom im Vorfeld fachkundig erläutert hattee. Leider verletzte sich der Weihbischof ausgerechnet dort beim Ausstieg aus dem Reisebus, so dass er die Eindrücke Mackes und Klees nicht selber nachvollziehen konnte. Ein Grund mehr, wieder einmal nach Tunesien zurückzukommen – ein „exzellentes“ Reiseziel, nicht nur wenn ein Bischof dabei ist!     

Norbert Jung